Mein Seminar im Sommersemester 2016 an der Kunstakademie Münster. Hier ein Auszug aus der Ankündigung:
Das Wort des Jahres 2015 ist laut Oxford Dictionary ein Emoji: Freudentränen!
Passend dazu argumentiert Hanno Rauterberg in seinem Text Unser drittes Auge (
dafür, angesichts der durch veränderte Kommunikationsweisen im Internet entstandenen neuen Öffentlichkeit, von einer neuen ‚Äuglichkeit’ auszugehen, die die etablierten sprachlichen Äußerungsformen in ihrer Dominanz relativiere.In wenigen Jahren hat sich so das Verhältnis der westlichen Gesellschaften zum Bild maßgeblich geändert. Am deutlichsten bildet sich diese Veränderung anhand des alltäglichen Umgangs Jugendlicher mit visuellem Material ab.
Bilder werden massenhaft produziert, online geteilt, verlinkt, geclustert. Sie werden zu Rohmaterial in den lustvoll dekonstruktiven Prozessen von Remix und Mashup, sie werden kuratierend aufbereitet und vor allem werden, in Anbetracht der medial gegebenen Möglichkeiten, expotentiell verbreitet und massiv vervielfältigt.
Das Herstellen, Bearbeiten, Verfremden und Veröffentlichen von Bildmaterial, das bis vor wenigen Jahren ‚Profis’ vorbehalten war, nimmt heute einen selbstverständlichen Teil im Alltag Jugendlicher ein. Diese, erstmals von breiten Bevölkerungsschichten getragene, gestalterische Praxis lässt sich nach Jean Burgess und Limor Shifman als eine Form digitaler Folklore verstehen. Aber wie sind die so gefassten Phänomene mit Blick auf die Frage nach der Bildkompetenz in Rezeption und Produktion zu beurteilen, die mit diesen einhergeht, und die, entsprechend der staatlichen Vorgaben für den Kunstunterricht, im Vordergrund eines kunstpädagogischen Interesses stehen sollte? Welche neuen Bildgenres entstehen in diesem Zusammenhang? Wie lassen sich diese aus bildwissenschaftlicher Sicht beschreiben und kategorisieren?
Und nicht zuletzt: In welchem Verhältnis stehen diese Formate, die, folgt man der Argumentation Rauterbergs, heute den Staffelstab der künstlerischen Avantgarde aufnähmen und „autoritäre Verhältnisse ins Wanken“ brächten, zu zeitgenössischer künstlerischer Praxis? Fragen, deren sich kunstpädagogisches wie künstlerisches Handeln mit Blick auf die nahe Zukunft gewahr sein sollte und die im Rahmen des Seminars anhand der Beschäftigung mit fachwissenschaftlichen Texten und aktuellen Online-Phänomenen behandelt und diskutiert werden sollen.